Am 22. September meldete die BBC (1), die syrische Terror-Organisation FSA habe ihr Hauptquartier von der Türkei nach Syrien verlegt. Angaben türkischer Oppositioneller zufolge residierte die Führung der FSA bis dahin in einem Camp namens Apaydin in der Provinz Hatay im türkisch-syrischen Grenzgebiet, von wo aus Riad al-Asaad, Malik Kurdi, Ahmad Hijazi und Mustafa al-Sheikh Angriffe islamistischer Kampfgruppen wie beispielsweise der Farouk Brigade oder des Al-Sahaba Battalions auf Polizeistationen, Verwaltungseinrichtungen, Armeeangehörige und Zivilisten im Nachbarland Syrien koordinierten, ohne sich dabei um die eigene Sicherheit sorgen zu müssen.
Vier Tage zuvor hatte ein Treffen des Sondergesandten der Vereinten Nationen, Lakhdar Brahimi mit Mehmet Celalettin Lekesiz, dem Provinzgouverneur von Hatay stattgefunden (2), der noch Ende August leugnete, dass im von der Öffentlichkeit abgeschotteten Camp Apaydin illegale Aktivitäten stattfänden (3). Dem Treffen gingen Auseinandersetzungen zwischen säkularen türkischen Oppositionellen unter Führung von Kemal Kilicdaroglu und der radikalislamischen Regierung Erdoğan voraus, der vorgeworfen wird, mit der Duldung terroristischer Aktivitäten von türkischem Boden aus internationales Recht zu brechen und gegen die türkische Verfassung zu verstossen (4).
Das türkische Verfassungsgericht hatte bereits 2008 über einen Verbotsantrag gegen Erdoğans radikalislamische AKP zu befinden, der mit fünf zu sechs Stimmen die dafür notwendige einfache Mehrheit nur knapp verfehlte. Inzwischen werden neue Verfahren gegen Erdoğan angestrengt, und die letzten Berichte des kürzlich ermordeten Korrespondenten Maya Naser von Press TV setzten die türkische Regierung zusätzlich unter Druck. So berichtete Naser, dass ausländische Kämpfer, die von der syrischen Armee gestellt wurden, türkische Pässe mit sich führten, und ein Extremist identifiziert worden sei, der mit den Anschlägen von 2003 in Istanbul in Verbindung stünde (5).
Damit erscheint der rätselhafte Rückzug der FSA aus der Türkei, wo sie vor dem Zugriff der von ihr angegriffenen syrischen Armee sicher gewesen ist, in neuem Licht und erklärt möglicherweise auch den Hintergrund der Ermordung Nassers durch ein Kommando, das inmitten der Hauptstadt Damaskus weder taktische Ziele, noch einen irgend denkbaren Geländegewinn hätte erzielen können, und ohne erkennbares Ziel in Kauf nahm, von einer Übermacht gestellt zu werden.
Maya Naser hatte wenige Tage vor seiner Ermordung angekündigt, Beweise vorzulegen, die den Verdacht erhärten, die türkische Regierung biete zu lebenslänglichen Haftstrafen und zum Tode verurteilten Terroristen die Freilassung an, um sie in Syrien an der Seite der Aufständischen einzusetzen. Nach dem römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs läge damit eine erzwungene Kriegsteilnahme von Nichtkombattanten vor, die ein Kriegsverbrechen darstellt.
Wie der vor dem internationalen Strafgerichtshof zugelassene Anwalt Christopher Black, der aus Verfahren gegen Mitglieder der Regierung Ruandas, aber auch gegen Slobodan Milošević bekannt ist, dem Menschenrechtsaktivisten Dr. Christof Lehmann gegenüber bestätigte, lägen damit die Voraussetzungen für ein Verfahren gegen den türkischen Minsterpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan vor dem ICC vor, das Black, Lehmann und türkische Oppositionelle gemeinsam anstreben.
Maya Naser unterstützte dieses Vorhaben, und so kann nicht verwundern, dass er vor seiner Ermordung Drohungen erhielt, wie von verschiedenen Freunden Nasers bestätigt wird. Dass sich Naser umgegend zum Ort des Geschehens begab, nachdem zwei Bomben im Abstand von etwa zehn Minuten am Umayyaden-Platz gezündet wurden, war durchaus vorhersehbar.
Dass in unmittelbarer Nähe zu einer großen Anzahl Angehöriger der syrischen Streitkräfte nach seinem Erscheinen von etwa einem Dutzend Kämpfern dass Feuer eröffnet wurde, die kaum eine nennenswerte Aussicht hatten, das Gefecht zu überleben, wirft die Frage auf, welchen Zweck die Aktion verfolgte, wenn sie nicht allein der Ermordung eines Journalisten diente, dessen Berichte sowohl die FSA als auch die türkische Regierung in ernste Schwierigkeiten zu bringen drohen.
Eine eigenartige Allianz aussergewöhnlich unredlicher Journalisten lieferte umgehend offenbar in großer Eile erstellte Falschmeldungen: Spiegel und taz ordneten die Sätze der Originalmeldung in abenteuerlicher Reihenfolge an, um zu suggerieren, Naser sei bei den Explosionen ums Leben gekommen. Die Welt ersparte sich die Mühe des Umsortierens und formulierte diese falsche Behauptung gleich wortwörtlich aus. Die Frankfurter Allgemeine wagte das offenbar nicht, sog sich dafür aber gleich einen ganzen Putschversuch aus den Fingern, um die Ermordung Nasers zu einem Randgeschehen größerer Ereignisse zu machen, die allerdings nicht stattgefunden haben und auch von niemandem so gemeldet wurden. Selten hat sich die deutsche Presse niveauloser gezeigt.
1) http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-19686938
2) http://www.todayszaman.com/news-292690-uns-syria-envoy-visits-refugee-camp-in-turkey.html
3) http://www.todayszaman.com/news-290755--syrian-refugee-camp-in-hatays-apaydin-to-be-accessible-davutoglu-says.html
4) http://breakingnews.sy/en/article/6333.html
5) http://nsnbc.wordpress.com/2012/09/27/killing-of-journalist-maya-naser-in-damascus-possibly-tied-to-his-investigation-into-turkey-war-crimes/
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